Interview mit Maimouna

Interview mit Maimouna

“Man wird mich seltsam ansehen,
ich werde die schrullige Alte sein.”

 

Maimouna (27) ist eine starke und mutige Syrerin, die sich in vielerlei Hinsicht gegen die Konventionen ihrer Kultur stellt und der Diskriminierung von Frauen standhaft die Stirn bietet. Seit diesem Jahr arbeitet sie als Lehrerin in unserer Phoenix Zeltschule. Im Interview mit Jacqueline Flory von der Zeltschule spricht sie über ihre Fluchtgeschichte und die Stellung von Frauen in ihrer Heimat.


Maimouna, du bist vor mehr als dem Krieg geflohen, als du zu uns kamst. Würdest du es mir nochmal erzählen?

Ich habe geheiratet vor zehn Jahren, als der Krieg begann. Einen Mann, der sehr viel älter war als ich. Ich war erst 17, er war 56. Aber er war sehr gut zu mir, er ließ mich zur Schule gehen, zur Universität sogar. Er hat es mir ermöglicht Lehrerin zu werden. Aber aus seiner ersten Ehe hatte er einen erwachsenen Sohn und der war nicht gut zu mir. Er hat mich oft beleidigt und sich bei seinem Vater über mich beschwert, gleichzeitig versuchte er aber manchmal, mich zu berühren. Ich hatte Angst vor ihm. Als mein Mann starb, bot er an, mich zu heiraten, damit ich wieder jemanden habe, der mich versorgt – ich sagte natürlich Nein. Alleine der Gedanke widerte mich an. Er wurde unglaublich zornig und beschimpfte mich, nannte mich undankbar, dass ich froh sein könnte, wenn er die Verpflichtung des Vaters übernähme, weil mich sonst keiner will… Ich wusste, er würde mich nicht in Ruhe lassen. Also bin ich in den Libanon geflohen, ganz allein.

Hast du seitdem daran gedacht, wieder zu heiraten?

Nicht wirklich. Ich müsste bald heiraten, solange ich noch Kinder bekommen kann, aber ich trauere immer noch um meinen Mann. Ich habe ihn sehr geliebt. 

Ist es üblich, einen Verwandten seines Mannes zu heiraten, wenn dieser stirbt?

Nicht unüblich. Die Frauen sind ja als Witwen unversorgt und der Bruder des verstorbenen Mannes kann dann sein Ehrgefühl beweisen, indem er die Verpflichtung übernimmt und die Frau heiratet, um sie zu versorgen. Aber genau das wollte mein Mann nicht. Er hat mich eine Ausbildung machen lassen und er hat mir Geld vermacht, damit ich unabhängig bin. Er hat mir sein Testament gezeigt. Aber sein Sohn hat es zerrissen, damit er alles bekommt. 

Könntest du ihn anzeigen?

Nein, er hat ja angeboten, mich zu heiraten, damit hat er sich als Ehrenmann erwiesen und mein Charakter ist fragwürdig, weil ich das hochmütig abgelehnt habe. Niemand würde mir glauben. Er wird seine Strafe von Allah bekommen. 

Deine Eltern haben deinen Mann für dich ausgesucht, nicht wahr?

Ja, damit ich Homs verlassen kann, dort war es zu Anfang des Krieges besonders schlimm. 

Wie lernt man einen fremden Mann zu lieben, der fast 40 Jahre älter ist als man selbst?

Wir haben viel gesprochen, Tag und Nacht zu Anfang. Er hat mir sein ganzes Leben erzählt, bis es sich anfühlte, als hätte ich es mit ihm gelebt. Er hat mir Tausende von Fragen gestellt, die mir noch nie zuvor jemand stellte: Was hast du für Träume, wie würdest du gerne leben, was würdest du gerne tun… er war verrückt! Aber auf wunderbare Weise. Und er hat immer Wort gehalten, was immer er mir sagte, das stimmte auch. Ich hätte ihm mein Leben anvertraut. Eigentlich habe ich das auch. Wir zogen nach Damaskus, damit ich studieren konnte. Wenn ich Kommilitoninnen mit nach Hause brachte, holte er für uns alles Essen in einem Restaurant um die Ecke und kochte uns Tee. Als mein Blinddarmherausgenommen werden musste, schlief er bei mir im Krankenhaus auf einem Stuhl in der Ecke. Er war mein Ein und Alles, und ich seins. So wird es nie wieder mit jemandem sein. 

Das kann ich sehr gut verstehen. Aber wie wird dein Leben als Unverheiratete sein? Wenn du 50 Jahre alt bist, ohne Mann und Kinder?

Man wird mich seltsam ansehen, ich werde die schrullige Alte sein. Frauen müssen heiraten, das ist hier so. Wenn man es nicht tut, dann stimmt etwas nicht mit einem. Als ich verheiratet war, fühlte ich mich unbesiegbar. Man kann tun, was man will, wenn man einen Mann hat, der einen unterstützt. Allein ist man so verletzlich, es gibt so viele Grenzen für Frauen ohne Mann, so wenig Möglichkeiten.