Interview mit Hilal Shabar

Interview mit Hilal Shabar

Hilal Shabar ist der neue Lehrer in unserer Phoenix Zeltschule. Denn im März 2018 hat unser engagierter und beliebter Lehrer Bashar Oqla ein Visum für Kanada bekommen. Doch er hat sich die Entscheidung, das Phoenix-Camp zu verlassen, nicht leicht gemacht. Mit vereinten Kräften haben wir ihn überredet, diese einmalige Chance für die Zukunft seiner Kinder wahrzunehmen und haben ihn traurig aber mit den besten Wünschen ziehen lassen. Natürlich nicht bevor er mir nicht bei der Neubesetzung seiner Stelle geholfen hat: Hilal Shabar ist der neue Lehrer unserer Phoenixkinder und hat uns alle sofort begeistert. In einem kleinen Interview möchten wir ihn vorstellen.

 

Hilal, erzähl uns bitte ein bisschen über dich.

Ich bin 31 Jahre alt und komme aus einem Vorort von Damaskus, den es jetzt wohl nicht mehr gibt, wenn man den Medienberichten glaubt, die seit Monaten von Bombardierungen rund um Damaskus berichten. Ich habe dort als Mathematik- und Biologielehrer gearbeitet.

Wann bist du geflohen?

Ich bin 2012 mit meiner Familie über die Grenze in den Libanon. Wir haben in 6 verschiedenen Camps gelebt. Ich habe versucht, Arbeit zu finden, aber es war aussichtslos. In den Camps, in denen es Kindergärten oder ähnliches von großen Organisationen gibt, werden nur Libanesen angestellt.
In anderen Camps gibt es gar nichts. Für illegale Arbeit hatten wir nicht den Mut, meine Kinder waren
noch so klein, wenn sie mich erwischt und nach Syrien ausgewiesen hätten, wäre meine Frau mit
den Kleinen ganz auf sich gestellt gewesen.

Wovon habt Ihr gelebt?

Ein langjähriger Freund im Libanon hat uns anfangs geholfen, aber er ist selbst alles andere als reich.
Später haben wir gebettelt oder manchmal Gemüse von den Feldern gestohlen. Darauf bin ich nicht
stolz und ich finde es schrecklich, dass meine Kinder ihren Vater stehlen sehen mussten. Das ist
das dramatischste am Krieg: es ist unmöglich, moralisch zu bleiben. Was macht das aus unseren Kindern?

Was ist die größte Herausforderung beim Unterrichten in den Camps?

Hier zu unterrichten ist eine Freude. Als Herausforderung generell sehe ich, dass der Großteil der
syrischen Kinder gar keinen Zugang zu Bildung hat, also wie sollen wir in einem befriedeten Syrien
wieder zu einem Alltag finden, wenn der größte Teil der neuen Generation weder lesen noch schreiben kann? Wie werden Wahlen durchgeführt werden, wie soll diese Generation Zugang zu seriösen politischen Informationen bekommen, wenn sie keine Zeitung lesen kann? Und warum macht das den westlichen Politikern offensichtlich nicht so viel Angst wie mir?

Was vermisst du am meisten von zuhause?

Ich war nie ein besonders religiöser Mensch, aber schon als Kind war ich überwältigt von der Schönheit
der Umayyaden Moschee, in die mein Vater mich immer mitgenommen hat. Manchmal, wenn ich nachts wachliege, frage ich mich, ob ich sie je wiedersehen werde.

Was ist das wichtigste, was du den Phoenix-Kindern beibringen möchtest?

Ich unterrichte hier Kinder, die trotz der katastrophalen Umstände, unter denen sie seit Jahren hier im Libanon leben, felsenfest davon überzeugt sind, dass sie eines Tages Ärztin, Anwalt, Lehrerin, Unternehmerin, Landwirt… werden können. Und ich unterrichte hier Kinder, die jede Hoffnung verloren haben, jemals wieder ein normales Leben führen zu können. Das zu verbinden ist sehr schwierig. Meine besonderen Schwerpunkte liegen beim Unterricht auf Mathematik und Englisch und ich sage den Kindern jeden Tag, dass es keine Rolle spielt, was sie später einmal machen werden, dass sie diese beiden
Disziplinen in jedem Fall dringend brauchen werden.