Interview mit Baschar Oqla, Leiter unserer Phoenix Zeltschule

Interview mit Baschar Oqla, Leiter unserer Phoenix Zeltschule

Baschar Oqla ist der Leiter unserer Phoenix-Zeltschule in der Bekaa-Ebene, die wir im Juli dieses Jahres eröffnet haben. Bereits 300 Kinder, die meisten von ihnen unterernährt, besuchen die Schule. Viele der Jungen und Mädchen waren noch nie zuvor in einer Schule. Deshalb müssen sie zuerst lesen und schreiben lernen – egal wie alt sie sind.

Die Kinder werden insgesamt von fünf Lehrern unterrichtet – Bashar ist der erste Lehrer, der nicht im Camp der jeweiligen Schule wohnt. Da die Kinder in diesem Camp ganz besondere Bedürfnisse haben, wurde er aufgrund seiner langjährigen Erfahrung extra gebeten in die Phoenix-Schule zu kommen.

Der 43jährige ist 2012 mit seiner Familie aus Damaskus geflohen. Die Schule dort zu verlassen, an der er zehn Jahre unterrichtet hatte, die Schüler, die ihm am Herzen lagen einer ungewissen Zukunft zu überlassen, sei die schwerste Entscheidung seines Lebens gewesen.

Nachdem Bashar im Libanon angekommen war, hat er bald angefangen auch hier an verschiedenen Zeltschulen zu unterrichten – unter anderem hat er die Alphabet-Zeltschule in Abdallah geleitet. Seine Schüler lieben ihn heiß und innig und er erzielt exzellente Ergebnisse mit ihnen.

Nun ist die Eröffnung der Phoenix-Schule fast 3 Monate her und es wird Zeit, Ihnen Baschar näher vorzustellen, denn mit dem Engagement der Lehrer vor Ort steht und fällt das Zeltschulen-Projekt.

In einem Interview mit der Gründerin Jaqueline Flory erzählt Baschar, was die besonderen Herausforderungen und Erfolge in der Phoenix-Schule sind.

JF: Du hast viereinhalb Jahre in Abdallah unterrichtet, ehe du in die Phoenix-Schule gewechselt hast. Was ist die größte Herausforderung in der neuen Schule?

Du weißt, dass jede Zeltschule eine schwierige Anfangsphase während der ersten 2-3 Monate hat. In dieser Zeit müssen wir das Leistungs- und Kenntnisniveau jedes einzelnen Schülers einschätzen, weil wir in unseren Zeltschulen die Aufteilung in Klassen nur bedingt vom Alter abhängig machen können. Wir müssen die unterschiedlichen Level der Kinder berücksichtigen, manche Kinder waren noch nie in der Schule, manche seit Jahren nicht mehr.

Die Besonderheit im Phoenix-Camp ist, dass 95% der Kinder keinerlei schulische Vorkenntnisse haben, wir fangen auch bei den größeren ganz von vorne an. Sie sind auch mit dem schulischen Ablauf nicht vertraut, hatten über Jahre einen vollkommen unstrukturierten Tagesablauf, auch Regeln und Prüfungssituationen müssen daher erlernt werden. Ihnen jetzt Struktur und Rahmenbedingungen für ihr Leben und Lernen zu geben, und sie gleichzeitig für Bildung zu begeistern, sie neugierig auf mehr zu machen, ist natürlich eine Herausforderung. Aber die Kinder sind mit Feuereifer dabei, begierig zu lernen, aus ihrer grauen Langeweile auszubrechen. Es ist eine Freude, sie zu unterrichten.

JF: Das Phoenix-Camp ist das ärmste und trostloseste gewesen, das ich je besucht habe. Inwieweit ist die mentale Situation der Familien hier eine Herausforderung?

Es ist auch das ärmste Camp, das ich je gesehen habe. Die Isolation der Menschen hier ist sehr groß, ihnen wurde nicht nur noch nie geholfen, sie haben auch den Glauben verloren, dass ihnen Hilfe zu steht, dass es Hilfe überhaupt gibt. Das ist eine schwierige Ausgangslage, aber es ist auch unglaublich rührend, jeden Tag aufs neue zu sehen, wie begeistert die Kinder sind, dass die Schule tatsächlich noch hier steht, dass das alles kein Traum war, es gibt Bewegung, nach jahrelanger Stagnation. Die Eltern sind noch sehr skeptisch, haben schon zu viel verloren, um dem neuen Glück zu vertrauen, aber das wird mit der Zeit kommen, wenn sie sehen, dass wir langfristig hierbleiben, dass wir entschlossen sind, alles zu tun, um ihr Leben zu verbessern.

JF: Was ist das wichtigste, was wir hier von Deutschland aus tun können, um dich und deine Schüler zu unterstützen?

Dein Verein ermöglicht unsere Schulen hier erst, das allein ist unglaublich, dass Hilfe von so weit weg kommt. Natürlich muss es oberste Priorität haben, den Erhalt der Schulen langfristig zu sichern. Niemand weiß, ob und wann eine Rückkehr nach Syrien möglich sein wird. Dass die Kinder, die so lange auf eine Schule gewartet haben, sie nicht nach wenigen Monaten oder Jahren wieder verlieren, ist immens wichtig. Wir haben bereits darüber gesprochen, dass das Interesse in Deutschland am Schul-Bau sehr viel größer ist als am Schul-Erhalt und ich kann sehr gut verstehen, dass dir das Sorgen macht.

Deswegen ist es meiner Meinung nach ebenso wichtig, dass du Bewusstsein schaffst für die schreckliche Situation, in der hunderttausende syrischer Kinder hier leben, hoffnungslos, perspektivlos, freudlos. Das Traurige ist, dass nur den Kindern, die lange Zeit ohne Schule waren, klar ist, wie sehr Schulen Leben verändern. Wir müssen den Menschen in Deutschland vermitteln, dass das Projekt Zeltschule nicht “nur” das Leben der Kinder hier verändert, sondern dass wir hier aktive Friedensarbeit leisten, dass Kinder, die Zugang zu Bildung, Büchern, Spielzeug, Glück…. haben, nicht zu Extremisten werden, das werden Kinder, die keinen Ausweg aus einer hoffnungslosen Situation sehen.